„Du“ oder „Sie“ am Arbeitsplatz?

„Du“ oder „Sie“ am Arbeitsplatz?

„Du“ oder „Sie“ am Arbeitsplatz? – Diese Frage stellt sich in vielen Unternehmen. Und beides hat sowohl seine Vor- als auch seine Nachteile.

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Vor allem in Unternehmen mit eher jungem Personal und modern eingestellten Führungskräften ist das Duzen an der Tagesordnung. Die vertraute, lockere Anredeform gehört zur Unternehmenskultur und soll das Gefühl, Teil eines Teams zu sein, stärken.

Auf der anderen Seite fällt es durch das Siezen leichter, eine professionelle Distanz zu wahren. Und längst nicht jeder Mitarbeiter und schon gar nicht jede Führungskraft kann sich mit dem „Du“ anfreunden.

Bei der Entscheidung, welche Anredeform am Arbeitsplatz gewählt werden soll, kann es also durchaus Sinn machen, die Plus- und die Minuspunkte gegeneinander abzuwägen. Und bei der späteren Umsetzung sollten ein paar Regeln eingehalten werden.

 

Die Vor- und Nachteile vom Duzen am Arbeitsplatz

Das „Du“ gilt als persönliche, vertraute Anredeform. Wenn die Mitarbeiter untereinander und auch gegenüber der Führungskraft das „Du“ pflegen, werden der Teamgeist und das Zusammengehörigkeitsgefühl gefördert. Eine vertraute und vertrauensvolle Atmosphäre entsteht.

Dadurch werden Hemmschwellen und Distanzen schneller abgebaut und oft fällt es den Mitarbeitern leichter, sich bei Fragen oder Problematiken an die Führungskraft zu wenden. Ein weiterer Vorteil ist, dass das Duzen eine schnellere Integration ins Team ermöglicht. Denn wenn sich alle Kollegen duzen, unabhängig vom Alter, der Herkunft und der Position, haben neue Mitarbeiter von Anfang an das Gefühl, dazuzugehören.

Andererseits wird es auch für die Führungskraft einfacher, einen Zugang zu ihrem Team zu finden. Wird die Führungskraft genauso geduzt wie die Kollegen, wirkt sie nicht wie ein Außenstehender, der das Team lenkt und kontrolliert. Stattdessen wird sie eher als Teil des Teams wahrgenommen. Das partnerschaftliche, kollegiale Klima, das durch die vertraute Anrede gefördert wird, kann außerdem die Bereitschaft zur Zusammenarbeit erhöhen und somit im Ergebnis zu besseren Arbeitsleistungen des Teams führen.

Den Vorteilen stehen jedoch auch Nachteile gegenüber. So kann das „Du“ einen respektvollen Umgang miteinander erschweren. Wenn sich alle Teammitglieder inklusive der Führungskraft duzen, kann der Eindruck entstehen, alle wären auch auf gleicher Augenhöhe.

In der Folge rutscht schneller mal eine pampige Antwort oder ein patziger Kommentar heraus. Für die Führungskraft kann es mitunter schwerer sein, sich durchzusetzen. Auch Konfliktgespräche oder Mitarbeitergespräche mit unangenehmem Inhalt lassen sich per „Du“ schwieriger führen. Ein sehr kollegiales, freundschaftliches Verhältnis birgt zudem die Gefahr, dass die professionelle Distanz verloren geht und zu oft private Dinge zum Gesprächsthema werden.

Ein weiterer Minuspunkt ist, dass es schwerer wird, zu beurteilen, ob die vertrauensvolle Atmosphäre tatsächlich echt ist oder ob sie, zumindest teilweise, nicht nur vorgespielt wird.

 

Die Vor- und Nachteile vom Siezen am Arbeitsplatz

Das „Sie“ ist die förmliche Anredeform. Sie wirkt zwar mitunter etwas steifer, gleichzeitig aber auch diskreter. Das Siezen fördert einen höflichen und respektvollen Umgang miteinander. Wenn sich alle Kollegen siezen, wird es einfacher, die professionelle Distanz zu wahren.

Gerade wenn Konflikte entstehen, Problemthemen diskutiert werden müssen oder die Führungskraft Mitarbeitergespräche führen oder unpopuläre Entscheidungen durchsetzen muss, kann das per „Sie“ deutlich leichter fallen. Hinzu kommt, dass das Siezen eher verhindert, dass patzige Antworten gegeben oder negative Gefühle ausgesprochen werden.

Selbst im Eifer des Gefechts wird einem Mitarbeiter eine Äußerung wie „Sie Depp!“ seltener über die Lippen kommen als „Du Depp!“ Ein weiterer Pluspunkt ist, dass das Siezen die Anerkennung und Wertschätzung unterstreicht. Ein Lob, das im professionellen „Sie“ formuliert ist, wirkt stärker, während ein Lob im kumpelhaften „Du“ den Anschein einer netten Nebenbemerkung haben kann.

Ein Minuspunkt beim Siezen ist, dass diese förmliche Anredeform ablehnend wirken kann. Es kann der Eindruck entstehen, dass auf jeden Fall eine deutliche Distanz zueinander beibehalten werden soll, eine Annäherung auf menschlicher Ebene also nicht erwünscht ist.

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Zudem schwingt beim Siezen immer eine leicht altmodische Note mit. Das wiederum kann im Widerspruch zu einer Unternehmensphilosophie stehen, die das Unternehmen jung, modern und innovativ präsentieren will. Zudem kann das „Sie“ zu Trugschlüssen führen. So wird eine Führungskraft beispielsweise nicht automatisch zu einer respektierten Autoritätsperson, nur weil sie von ihren Mitarbeitern gesiezt wird.

Eine besonders ungünstige Situation entsteht, wenn die Anredeform nicht einheitlich praktiziert wird. Werden einige Mitarbeiter geduzt und andere Mitarbeiter gesiezt, vermittelt das die Botschaft, dass die gesiezten Mitarbeiter nicht richtig zum Team gehören oder weniger beliebt sind.

 

Der Arbeitgeber hat das letzte Wort

Am Ende entscheidet der Arbeitgeber darüber, welche Anredeform im Unternehmen praktiziert werden soll. Führt der Arbeitgeber das „Du“ ein oder überlässt er es seinen Führungskräften, wie sie die Anrede in ihren Abteilungen oder Teams handhaben möchten, muss er auf den Wunsch einzelner Mitarbeiter, das „Sie“ beizubehalten, nicht eingehen.

Denn selbst wenn das Siezen im Unternehmen bisher immer üblich war, handelt es sich dabei lediglich um eine Gepflogenheit. Die Mitarbeiter haben keinen Anspruch darauf, dass diese Gepflogenheit beibehalten wird. Und auch aus der Fürsorgepflicht des Arbeitgebers lässt sich nicht ableiten, dass er dafür sorgen muss, dass einzelne Mitarbeiter weiterhin gesiezt werden.

 

Stichwort Fürsorgepflicht

Die Fürsorgepflicht ist eine Nebenpflicht des Arbeitgebers im Rahmen des Arbeitsverhältnisses und bezieht sich auf die soziale Ausgestaltung. Durch die Fürsorgepflicht trägt der Arbeitgeber dem Wohl und den Interessen seiner Mitarbeiter Rechnung.

Im Wesentlichen geht es dabei darum, Schäden zu verhindern. Dabei kann es sich um Gefährdungen der Gesundheit und des Lebens handeln. Aber auch der Schutz vor beleidigenden, sexistischen oder rassistischen Äußerungen fällt in den Bereich der Fürsorgepflicht.

Gibt es in dem Unternehmen einen Betriebsrat, hat er mit Blick auf die Anredeform aber ein Mitbestimmungsrecht. Dieses Mitbestimmungsrecht leitet sich aus § 87 Abs. 1 Nr. 1 des Betriebsverfassungsgesetzes ab. Bei der Frage, ob am Arbeitsplatz geduzt oder gesiezt werden soll, muss sich der Arbeitgeber also mit dem Betriebsrat absprechen.

 

Ungewolltes Duzen kann das Persönlichkeitsrecht verletzen

Wird ein Mitarbeiter gegen seinen Willen geduzt, mag das zwar unhöflich oder sogar taktlos sein. Eine Beleidigung ist damit aber aus rechtlicher Sicht nicht gegeben. Damit der Tatbestand der Beleidigung erfüllt ist, müsste mit dem Duzen bewusst das Ziel verfolgt werden, die Person in ihrer Würde zu verletzen.

Allerdings könnte das Duzen eines Mitarbeiters, der ausdrücklich gesiezt werden möchte, gegen das Persönlichkeitsrecht verstoßen. Das Persönlichkeitsrecht ist ein Grundrecht und in Artikel 2 des Grundgesetzes verankert. Demnach hat jeder Erwachsene das Recht, selbst darüber zu bestimmen, in welcher Form er angesprochen werden möchte.

Der Arbeitgeber oder die Führungskraft muss deshalb abwägen, ob seine eigenen Interessen bzw. die Interessen des Unternehmens schwerer wiegen als die Interessen des jeweiligen Mitarbeiters oder umgekehrt. Ist das Duzen übliche Praxis im Unternehmen und ein fester Bestandteil der Unternehmenskultur, werden die Interessen des Unternehmens meist schwerer wiegen.

Denn das Interesse des Arbeitgebers, eine besondere Unternehmenskultur zu etablieren und aufrechtzuerhalten, hat ein größeres Gewicht als der persönliche Wunsch eines Mitarbeiters, gesiezt zu werden.

 

Das „Du“ wird immer vom Ranghöheren angeboten

Soll ein Wechsel vom „Sie“ aufs „Du“ erfolgen, muss das Angebot dazu immer von demjenigen ausgehen, der in der Hierarchie höher steht. Diese Regel gilt auch dann, wenn der Ranghöhere deutlich jünger ist als der Kollege oder Mitarbeiter, dem das „Du“ angeboten wird. Denn in diesem Fall ist nicht das Alter oder das Geschlecht, sondern die hierarchische Position entscheidend.

Und wenn die Führungskraft das „Du“ anbietet, sollte der Mitarbeiter dieses Angebot annehmen. Lehnt er ab, könnte die Führungskraft das persönlich nehmen und in der Folge könnte das Arbeitsklima belastet sein. Andersherum führt das Duzen am Arbeitsplatz nicht automatisch dazu, dass ein kollegiales, partnerschaftliches Klima entsteht. Eine partnerschaftliche und vertrauensvolle Basis kann genauso gut gegeben sein, wenn das Team beim „Sie“ bleibt.

Recht problematisch kann es sein, vom „Du“ zum „Sie“ zurückzuwechseln. Diese Frage kann sich beispielsweise dann stellen, wenn ein Mitarbeiter befördert und dadurch zum neuen Vorgesetzten seiner bisherigen Kollegen wird. Die Kollegen könnten den Wunsch der Führungskraft, künftig per „Sie“ angesprochen zu werden, als deutliche Abgrenzung auffassen. Der ehemalige Kollege ist kein echtes Teammitglied mehr, sondern steht über den Kollegen und möchte dies auch deutlich machen.

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Die ohnehin schon nicht ganz einfache Aufgabe, sich in der neuen Position zurechtzufinden und zu behaupten, wird für die Führungskraft dadurch noch schwerer. Deshalb ist es meist besser, es trotz der Führungsposition beim „Du“ zu belassen. Die Autorität und den Respekt kann und muss sich die Führungskraft ohnehin abseits der Anrede erarbeiten.

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Sabine Nauer - Trainingsentwickler und Beraterin in Personalentwicklung, Michael Patzek - Personalreferent, Maike Müller - Trainingscoach für Führungskräfte, sowie Ferya Gülcan - Redakteurin, Unternehmerin und Betreiberin dieser Webseite, schreiben hier Wissenswertes, Anleitungen und Ratgeber zur Motivation von Mitarbeitern, Weiterbildung von Führungskräften und dem Personalwesen.

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