Führungsstil: Mitarbeiter wie Erwachsene behandeln
Keine Frage: Die Mitarbeiter, die in einem Unternehmen arbeiten, sind erwachsen. Schließlich ist Kinderarbeit in Deutschland nicht nur unüblich, sondern gesetzlich verboten.
Umso erstaunlicher ist vor diesem Hintergrund aber, dass viele Führungskräfte ihre Mitarbeiter wie Kinder behandeln – und sich dann darüber wundern, dass die Mitarbeiter kindliche Verhaltensweisen an den Tag legen. Es wird also Zeit, den Führungsstil zu überdenken und in den Mitarbeitern Erwachsene zu sehen.
Inhalt
Mitarbeiter schlüpfen in eine kindliche Rolle
Ein Kind beginnt sehr früh damit, sich als eigenständige Person zu verstehen. Es nimmt sich nicht mehr nur als eine Einheit mit seiner Mutter wahr. Stattdessen entdeckt es seinen eigenen Willen und fordert diesen zunehmend ein. In den ersten Lebensmonaten geschieht das durch Tränen und Geschrei, später kommen Trotz und andere, oft weniger erfreuliche Verhaltensweisen dazu.
Das Kind entwickelt sich immer mehr zu einem autonomen Menschen, der selbstbestimmt agieren und gemäß seiner Wünsche, Bedürfnisse und Überzeugungen entscheiden will. Gleichzeitig sucht das Kind nach einem Weg, um sich zu behaupten und das Gefälle zwischen ihm und den mächtigeren Erwachsenen auszugleichen.
Ein Erwachsener muss sich im Supermarkt natürlich nicht mehr laut schreiend auf den Fußboden werfen, wenn er erreichen will, dass ein paar Süßigkeiten im Einkaufswagen landen. Stattdessen kann er die Süßigkeiten nehmen und mit seinem Geld bezahlen.
Und auch sonst kümmert sich der Erwachsene um alles Wichtige im Leben selbst. Er führt seinen Haushalt, schließt Verträge ab, gründet eine Familie und entscheidet sich für einen Beruf und einen Arbeitgeber.
Doch erstaunlicherweise gibt er dieses selbstbestimmte Ich am Arbeitsplatz ab. Das Machtgefälle zwischen ihm und der Führungskraft nimmt Formen an, die an das Machtgefälle zwischen einem Kind und seinen Eltern erinnern.
Denn im Job ist der Mitarbeiter plötzlich nicht mehr autonom. Stattdessen wartet er ab, bis ihn der Chef für Arbeiten einteilt, ihm etwas erlaubt, ihn lobt oder ihn auf Fehler hinweist. Erst nach Feierabend schlüpft der Mitarbeiter wieder in die Rolle des selbstbestimmten Erwachsenen.
Der Umgang mit Verantwortung wurde nicht gelernt
Jeder Erwachsene weiß, dass ein gesunder Lebensstil besser ist als ein ungesunder. Doch als Erwachsener möchte er selbst entscheiden, was für ihn gesund ist. Ebenso ist ihm klar, dass er im Beruf eine gewisse Leistung erbringen muss, wenn er den Job langfristig behalten und erfolgreich sein will. Aber auch hier will er derjenige sein, der letztlich die Entscheidung über seinen Leistungsumfang trifft.
Hinzu kommt, dass ein Mensch dazu neigt, umso mehr das Gegenteil zu tun, je mehr in andere auf den richtigen Weg bringen wollen. Im Ergebnis setzt er sich lieber auf die Couch, statt joggen zu gehen, und belässt es beim Dienst nach Vorschrift, statt sich voll reinzuhängen. Denn seine Entscheidung lässt er sich nicht vom erhobenen Zeigefinger eines Dritten madig machen.
Und es gibt noch einen anderen Aspekt: Viele Mitarbeiter haben nie gelernt, Verantwortung zu übernehmen. Im Kindesalter haben die Eltern die Regeln aufgestellt. In der Schule haben die Lehrer gesagt, was zu tun ist. Im Beruf hat der Chef das Sagen. Ein Kind, ein Schüler und ein Mitarbeiter hat sich dem stärkeren, mächtigeren Vorgesetzten unterzuordnen.
Dieses System wurde eigentlich nie wirklich in Frage gestellt. Schließlich hat der Vorgesetzte die verantwortungsvolle Position nicht umsonst erreicht. Und kaum ein Mitarbeiter will negativ auffallen oder gar seinen Job riskieren, weil er seinem Chef ständig widerspricht und dessen Anweisungen in Frage stellt.
Doch zufrieden mit dieser Situation ist eigentlich keiner der Beteiligten: Die Führungskraft würde ihren selbst auferlegten Erziehungsauftrag am liebsten abgeben und stattdessen mit Mitarbeitern zusammenarbeiten, die mitdenken, sich einbringen und eigenverantwortlich agieren. Der Mitarbeiter verliert zunehmend seine Motivation, weil er sich in der Rolle desjenigen sieht, der ohnehin immer nur das machen muss, was die da oben vorgeben.
Führen heißt auch vertrauen
Es steht außer Frage, dass gute Führung keineswegs einfach ist. Die optimale Mischung aus Fordern, Fördern, Wertschätzen, Sicherheit, Menschlichkeit und Leistungsdruck zu finden, gelingt vermutlich keiner Führungskraft in Perfektion. Doch es gibt einen Faktor, mit dem gute Führung steht und fällt:Vertrauen.
Den Mitarbeitern Vertrauen zu schenken, zeugt nicht nur von Anerkennung. Stattdessen signalisiert die Führungskraft damit auch, dass sie in ihren Mitarbeitern erwachsene, autonome Menschen sieht, die durchaus in der Lage sind, eigenverantwortlich zu agieren und gute Leistungen zu erbringen. Und das, ohne dass die Führungskraft ständig daneben steht, ihren Mitarbeitern permanent auf die Finger schaut und jeden einzelnen Arbeitschritt vorgibt, erklärt, kommentiert oder anderweitig beeinflusst.
Für die Führungskraft bedeutet das zwar automatisch, dass sie einen Teil ihrer Macht an ihre Mitarbeiter abtreten muss. Aber wenn die Führungskraft eine echte Leitfigur sein möchte und sich motivierte, engagierte und leistungsbereite Mitarbeiter wünscht, muss sie ihnen Vertrauen und Respekt entgegenbringen. Denn nur wenn sich die Mitarbeiter wie erwachsene und mündige Menschen behandelt fühlen, werden sie sich auch wie erwachsene und mündige Menschen verhalten.
Motivation ist kein Ergebnis von Führung. Keine Führungskraft kann einen Mitarbeiter motivieren, wenn er selbst keine Lust hat, Leistung zu zeigen und sich einzubringen. Und je mehr sich die Führungskraft engagiert und je stärker sie versucht, den Mitarbeiter auf Kurs zu bringen, desto weniger wird sie am Ende erreichen.
Lässt die Führungskraft dem Mitarbeiter hingegen Freiraum und überträgt sie ihm Verantwortung für sein Tun, werden seine Leistungsbereitschaft und seine Motivation ganz von alleine steigen. Er wird die richtigen Entscheidungen treffen und oft nicht nur seine routinemäßigen Arbeiten gut erledigen, sondern sich auch darüber hinaus einbringen. Warum? Weil der Mitarbeiter nicht mehr wie ein Kind an die Hand genommen wird, sondern für sich und aus freien Stücken entscheidet.
Es wird Zeit, umzudenken
Ein 16 Jahre alter Azubi muss in einer anderen Form geführt werden als eine 50 Jahre alte Fachkraft. Daran besteht kein Zweifel. Und natürlich wird nicht jeder Mitarbeiter darauf ansprechen, wenn er plötzlich selbst Entscheidungen treffen und Verantwortung übernehmen soll.
Doch wenn die Führungskraft nicht an ihre Mitarbeiter glaubt, kein Vertrauen in sie hat und ihnen keine Autonomie zugesteht, werden die Mitarbeiter nie lernen, mit dieser neuen, jetzt ihrer Verantwortung richtig umzugehen. Letztlich stellt die Führungskraft durch ihren Führungsstil die Weichen dafür, dass sich ihre Mitarbeiter im beruflichen Umfeld vom Kind zum Erwachsenen entwickeln. Im Privaten sind die Mitarbeiter diesen Weg bereits gegangen.
Und das Ziel ist, dass die Mitarbeiter neben ihrer Eigenständigkeit auch ihre Motivation und ihre Kreativität bis zum Arbeitsplatz mitnehmen – und nicht schon am Eingang des Betriebsgeländes zurücklassen.
Alleine kann die Führungskraft einen erwachsenen Führungsstil aber nicht umsetzen. Viele Mitarbeiter verstecken sich nach wie vor in ihrer kindlichen Rolle. Zwar wünschen sie sich einerseits mehr Verantwortung. Doch andererseits ist es eben bequemer, Anweisungen zu folgen. Zumal die Mitarbeiter dann die Schuld für Fehlentscheidungen, Pannen, das raue Betriebsklima, die eigene Unzufriedenheit mit dem Job und alles andere getrost auf die Führungskraft schieben können.
Tatsächlich müssen deshalb beide Seiten umdenken: Die Führungskraft muss begreifen, dass ihre Mitarbeiter erwachsen sind und sie wie Erwachsene behandeln. Und die Mitarbeiter müssen auch im Berufleben endlich erwachsen werden.
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Thema: Führungsstil: Mitarbeiter wie Erwachsene behandeln
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