KI bei der Personalauswahl richtig einsetzen
Passendes Personal zu finden, ist eine der Kernaufgaben der HR-Abteilung und gleichzeitig eine große Herausforderung. Denn Fehlentscheidungen kosten nicht nur Zeit, sondern auch viel Geld. Um Abläufe effizienter, skalierbarer und objektiver auszugestalten, greifen immer mehr Unternehmen auf künstliche Intelligenz (KI) zurück. Das ist auch bei der Personalauswahl der Fall.
Nur: Wie kann KI bei der Auswahl von Bewerber:innen helfen? Worauf gilt es zu achten, um sie richtig einzusetzen? Wie ist der Stand der Technik? Und wie viel Verantwortung sollten wir einer Maschine überhaupt übertragen?
Wir geben Antworten!:
Inhalt
Eignungsdiagnostik vs. Bauchgefühl
Die Basis für eine belastbare, nachvollziehbare und faire Personalauswahl ist eine systematische Eignungsdiagnostik. Sie nutzt strukturierte Tests, Fragebögen, Simulationen und Interviews, die anhand von wissenschaftlich fundierten Methoden aus der Psychologie erstellt sind.
Der wissenschaftliche Hintergrund ermöglicht eine zuverlässige Prognose der beruflichen Leistungsfähigkeit.
Das Ziel der Eignungsdiagnostik besteht darin, möglichst objektiv festzustellen, ob die Anforderungen der ausgeschriebenen Stelle mit den individuellen Merkmalen eines Bewerbers oder einer Bewerberin übereinstimmen.
Doch die Unternehmenspraxis ist oft eine andere. Viele Personalverantwortliche und Führungskräfte verlassen sich auf ihre Erfahrung bei Vorstellungsgesprächen, auf ihr Bauchgefühl oder auf frühere erfolgreiche Entscheidungen bei der Personalauswahl.
Diese Vorgehensweise mag durchaus sinnvoll erscheinen, zumal ein Eignungsauswahlverfahren aufwändig und teuer ist.
Doch die große Gefahr ist, dass subjektive Einschätzungen von Sympathien, Stereotypen oder einfach der Tagesform beeinflusst sind.
Aus Studien ist bekannt, dass strukturierte Testverfahren eine wesentlich höhere Aussagekraft über die berufliche Eignung haben und den beruflichen Erfolg weit zuverlässiger vorhersagen können als zum Beispiel spontan geführte Jobinterviews.
Vor allem auf einem Arbeitsmarkt, der vom Kampf um Fachkräfte, Remote Work und zunehmender Diversität geprägt ist, gewinnen valide Verfahren an Bedeutung.
Denn sie können der Schlüssel sein, um Fehlbesetzungen vorzubeugen, heterogene Teams zusammenzustellen und Mitarbeiter:innen langfristig zu binden.
KI bei der Personalauswahl
KI-gestützte Tools haben längst Einzug in die Personalauswahl gehalten. Sie können Bewerbungsunterlagen auswerten, Persönlichkeitstests interpretieren oder Sprachmuster in Videointerviews bewerten.
Die Bandbreite reicht somit von einfachen Matching-Algorithmen in Bewerbermanagementsystemen bis hin zu komplexen Machine-Learning-Anwendungen, die Vorhersagen zum Verhalten treffen sollen.
Aber wie genau funktioniert das? Um große Mengen an Bewerbungsdaten auszuwerten, greifen KI-basierte Systeme auf Natural Language Processing (NLP), Machine Learning (ML) und Deep Learning zurück.
So erfasst die KI zum Beispiel bei einem Videointerview das Sprachtempo, die Wortwahl, die Satzstruktur, die Intonation und teils auch nonverbale Merkmale wie die Mimik und die Gestik.
In einem Persönlichkeitstest wertet die KI die Antwortmuster aus und gleicht sie mit validierten Modellen der Eignungsdiagnostik ab.
Der Einsatz im Auswahlverfahren
KI-basierte Systeme werden überwiegend in der frühen bis mittleren Phase des Auswahlverfahrens eingesetzt. So kommen sie zum Beispiel zur Anwendung, um Lebensläufe, Motivationsschreiben oder Online-Fragebögen automatisiert zu analysieren.
Aber auch in der mittleren Phase wird die KI angewendet, um Persönlichkeitstests oder strukturierte Videointerviews auszuwerten.
Für die Bewertung nutzen KI-gestützte Systeme meist numerische Scores, etwa Matching-Scores zum Anforderungsprofil, Passungswahrscheinlichkeiten oder psychometrische Auswertungen.
Vor allem bei einem großen Bewerbungsvolumen ermöglicht die KI eine skalierbare Vorauswahl und kann so die HR-Abteilung entlasten.
Trotzdem sind die Ergebnisse der KI nur Entscheidungsgrundlagen, aber kein Ersatz für eigene Entscheidungen. Bewerber:innen automatisiert auszuschließen, ist sowohl aus rechtlicher als auch aus ethischer Sicht problematisch.
Trends und Entwicklungen
Die aktuellen Trends zeigen, dass auch innerhalb der Weiterentwicklung von KI Fairness und Transparenz zunehmend an Bedeutung gewinnen:
- Explainable AI (XAI) möchte Entscheidungen der KI nachvollziehbar machen, indem zum Beispiel die Faktoren grafisch aufgeschlüsselt werden, die für die Bewertung ausschlaggebend waren. Das Personalwesen kann so rechtlich und ethisch abgesichert agieren.
- Fairness by Design bezeichnet Ansätze, bei denen die Entwickler die Trainingsdaten aktiv auf Diversität und Ausgewogenheit prüfen. Das Ziel ist, Neutralität bei Faktoren wie dem Geschlecht oder dem kulturellen Hintergrund zu gewährleisten.
- Die adaptive Eignungsdiagnostik verknüpft klassische psychometrische Testverfahren mit der KI. Dabei passen sich die Tests situativ an, etwa indem sich die Schwierigkeitsgrade dynamisch verändern oder kontextabhängige Fragen generiert werden. Auf diese Weise werden die Tests individueller, kürzer und valider.
Wie zuverlässig die Prognosen der KI sind, richtet sich stark nach der Qualität der Trainingsdaten, der Transparenz der Algorithmen und der Validierung des Modells.
Ein gut trainiertes KI-Modell erreicht eine Validität zwischen 0,5 und 0,6 und damit einen vergleichbaren Wert wie ein strukturiertes Interview.
Trotzdem bleiben Verzerrungen durch das Geschlecht, den Sprachstil, kulturelle Merkmale und ähnliche Faktoren ein Risiko.
Aus diesem Grund verlangen Organisationen wie OpenAI oder der European AI Act eine gesetzliche Garantie für eine menschliche Kontrolle bei KI-gestützten Personalauswahlprozessen.
Entscheidungen durch Menschen
Ungeachtet aller Fortschritte steht fest, dass die KI eine Hilfe, aber kein Ersatz sein kann.
Die Systeme können Muster erkennen und analysieren, aber nicht verstehen. Menschliche Fähigkeiten wie Teamgeist, Flexibilität, Lernbereitschaft oder Durchsetzungsvermögen lassen sich allein durch Daten nicht darstellen.
Die KI kann zum Beispiel erfassen, dass ein Bewerber sehr oft in der Ich-Form spricht. Ob das auf Selbstbewusstsein oder Arroganz hinweist, hängt aber vom Kontext ab und muss deshalb von einem Menschen interpretiert werden.
Dazu kommt, dass jedes Trainingsmodell von den Mustern und Verzerrungen der Datengrundlage geprägt ist. Daraus ergibt sich die Herausforderung, technologische Effizienz mit menschlichem Urteilsvermögen zu verknüpfen.
Ganz praktisch heißt das, dass uns die KI bei der Entscheidungsfindung helfen kann. Trotzdem muss die finale Auswahl durch Menschen erfolgen. Wir können die Verantwortung nicht einfach an Algorithmen abtreten.
Ergebnis zu KI in der Personalauswahl
KI kann ein sinnvolles und hilfreiches Instrument bei der Personalauswahl sein. Sie kann Abläufe beschleunigen, Strukturen vereinfachen und Vorurteile verringern. Trotzdem darf die KI nicht zur alleinigen Entscheidungsinstanz werden.
Denn es braucht einen Menschen, der den Kontext erfasst, menschliche Potenziale erkennt und nach ethischen Grundsätzen handelt.
Insofern dient die KI als ergänzendes Werkzeug. Sie liefert die objektiven Daten, die der Mensch als Grundlage für seine Entscheidungen nutzt. Dann kann aus technologischer Effizienz eine nachhaltige Personalarbeit werden.
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Thema: KI bei der Personalauswahl richtig einsetzen
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